Kirchen
Zollinger beteiligte sich an Wettbewerben für Kirchenbau, so 1917 für einen Kirchenneubau in Solothurn, 1921 für die reformierte Kirche in Arbon,1923 für die evangelische Erlöserkirche in Dietikon sowie 1925 für die Christkönigs-Kirche in Saarbrücken.
Alle drei Projekte wurden nicht realisiert – die Hintergründe dazu werden nachfolgend beschrieben. Der Text dazu ist grösstenteils ein Auszug aus dem Beitrag von J. Christoph Bürkle im Buch „Die reformierte Kirche Fällanden“ 2002.
Arbon 1921
Ref. Kirche
Entwurf
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Für den Entwurf für Arbon errang Zollinger lediglich einen Ankauf, für Dietikon eine Anerkennung, während die Solothurner und Saarbrücker Projekte gar nicht prämiert wurden.
In jener Zeit war Zollinger beeinflusst von expressionistischen Architekten und selber einer der ganz wenigen Schweizer Architekten, dessen Arbeiten damals expressionistische Züge erkennen lassen. In jene Zeit gehört auch Zollingers Wehrmännerdenkmal auf der Forch mit seiner expressionistischen Form - siehe dazu das separate Kapitel auf dieser Website. Zollinger setze sich intensiv mit dem Kirchenbau auseinander und zur expressionistischen Architektur passte ein allumfassender Kultbau, der konfessionsübergreifende Kirchenbau. Er entwarf Rundkirchen, die unabhängig von der Konfession die Idee eines universalen Kirchenbaus in einem zentralen Raum der Gemeinschaft vorsahen. Zwar zeigen alle Entwürfe Elemente bekannter historischer Typologien wie Säulenrundgänge, Rundbögen oder gestufte Stützen. Dennoch war der Rundbau, der weder an die gewohnte Langhaustypologie noch dem vierungsbetonten Zentralbau anknüpfte, ein sowohl liturgisch als auch architektonisch neuer und ungewohnter Typus.
Dietikon 1923
Ev. Erlöser-Kirche
Entwurf
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Folgerichtig hatte Zollinger mit seinen Entwürfen kaum Erfolg. Seine Kirchenentwürfe entsprachen nicht den Forderungen der Kirchgemeinden, wonach Rundkirchen nicht den liturgischen Bedürfnissen genügten, und sie wurden in ihrer individuellen, expressionistisch mytischen Formensprache sogar eher als heidnisch, den als christlich eingeordnet. Aber dennoch löste er mit seinen Entwürfen eine Debatte aus und erhielt in den Zeitschriften Raum seine Ideen und Projekte darzustellen. Zu den schlussendlich ausgewählten Projekten meinte Zollinger, diese entsprechen nur einem vordergründigen Zeitgeschmack einer Stilarchitektur und seien nicht aus tief empfundener Religiosität entstanden im Gegensatz zu einem neuen Typus, der sich auf den Ausdruck einer frei empfundenen Religiosität und eines Raumes der Gemeinschaft beruft und nicht auf eine axialen Geometrie, die das trennende Gegenüber von Pfarrer und Gemeinde konstruiert. Der Mittelpunkt in seinen Projekten war immer der Zentralraum, wodurch die ganze Gemeinde optisch an den heiligen Handlungen am Altar teilnehmen konnte, im Gegensatz zum traditionellen basilikalen Kirchenschiff mit vielen Sichteinschränkungen und grossen Weiten zum hinteren Teil.
Saarbrücken 1926
Christkönigs-Kirche
Entwurf
1977 schrieb Hanspeter Rebsamen, Kunsthistoriker im Stadtarchiv Zürich:
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Den Arboner Entwurf begleitete Otto Zollinger mit einem expressiven Bekenntnis:
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„Zwei Erlebnisse haben sich zur Idee verschmolzen: An einem heissen Sonntagmittag versammelte die Sonntagsschullehrerin des Heimatdorfes (vermutlich Fällanden) uns Kinder vor dem Hause, um im Freien zu unterrichten. Bald hockten wir alle in einer Erdmulde um sie herum, sie am erhöhten Strassenbord; mit Leidenschaft erzählte sie uns Christi Bergpredigt und immer stärker hatte ich dabei die Empfindung, in einem uns andächtige Kinder alle umfassenden Raum zu sitzen, in dessen Mitte die Lehrerin stand. Seither bieten sich mir in der Natur fort und fort räumliche Vorstellungen.
Dann das andere: Ich laufe viel durch Wald und Feld; einmal lief ich durch einen dichten jungen Tannenwald, mitten durchs astgewobene Dunkel, durchs Spiel von spitzen Lichtern und tiefen Schatten und plötzlich stand ich am Rand einer Lichtung, die ein Rund war – Licht! alles Licht! und im gewaltigen Rhythmus umstanden hohe Stämme die Lichtung, wandeten einen Raum – eine Erhabenheit ohne Gleichen. Sollte ich jauchzen oder beten? Ich wusste es nicht – in tiefster Andacht fühlte ich Gott. … Seither hatte ich überhaupt die Erkenntnis, dass die Wiederbelebung unseres zersetzten Christentums nur durch die Liebe zur Natur vor sich gehen kann. … So habe ich meinen Raum geschaffen. Die Bogenhalle zwischen Turm und Saalgebäude ist der Tannenwald, der Innenraum die Lichtung, Emporen und Erdgeschoss zusammen jene Mulde, der Kanzelplatz das Strassenbord.“
Fällanden 1920
Ref. Kirche
Innen-Renovation und Vorbau
Im Jahre 1920 führte Zollinger die Innenrenovation der Kirche Fällanden durch. Bereits 1910 würde er als 24-jähriger Jungarchitekt mit dem Entwurf eines Neubaus an seinem Geburts-und Heimatort beauftragt. Sein Kirchenprojekt zeigt einen für die damalige Zeit sehr modernen Entwurf, mit einer geometrisiert klassizistischen Fassade, wenngleich noch mit historischen Anklängen. Zwar fand der Entwurf mehrheitlich Zustimmung, nur die Form des Turmes (Zwiebel) bemängelte die Kirchenpflege. Es ging jedoch mit der Planung nicht weiter, und erst nach 10 Jahren wurde beschlossen, eine umfangreiche Renovation durchzuführen.
Zollinger unterzog die Kirche im Inneren einem Totalumbau und gliederte den Kirchenraum völlig neu. Hier realisierte er jetzt jenen Zentralraum, wie er vorgängig in den expressionistischen Kirchenprojekten von 1917 bis 1925 beschrieben wird. Die entscheidende Aenderung ist die Umwandlung des langgestreckten, durch den Mittelgang der Bestuhlung streng zweigeteilten Raumes zu einem Zentralraum im östlichen Teil der Kirche. Entsprechend seinen Rundkirchen mit zentralem Raum für die Gemeinde versuchte Zollinger nun dieses Motiv in der kleinen Kirche in Fällanden mit äusserst geschickten räumlichen Mitteln umzusetzen. Die Kanzel verlegte er auf die Seite und schuf mit einer gegenüberliegenden Bestuhlung und dem Taufstein in der Mitte ein amphitheatrisches neues Zentrum des Kirchenraumes. Die Gemeinde konnte sich gleichsam um den Pfarrer auf der Kanzel und das Taufbecken zur Andacht versammeln. Auch horziontal versuchte der Architekt den Raum der Gemeinde optisch zusammenzufassen, indem die Täfelung um die gesamte Bestuhlung herum läuft und somit zusätzlich die Bestuhlung symbolisch mit der Kanzel verbindet. Sogar die Holzdecke wurde einbezogen, indem die Längsrichtung der tragenden Balken mit querverlaufenden Balken-Attrappen unterzogen wurden, was die Längsrichtung des Kirchenraum verminderte.
Das Farbkonzept der Kirche war ein wichtiger Bestandteil des Gesamtenwurfes von Zollinger. Die Bunte Farbigkeit der Decke spiegelt die lange Geschichte der Kirche wider und bezieht sich nicht nur auf mittelalterliche Ausstattungen, sondern ebenso auf die Farben der neogotischen Fenster. Der räumlichen Gliederung von Gestühl, Kanzel und Täfelung entsprach die zusammenfassende Farbe in einem kräftigen Weinrot. Die Fenster- und Türrahmen hatten einen hellblauen Ton, während die Wände in einem rötlichen beziehungsweise rosa Farbon den eher neutralen Hintergrund für die geplanten Malereien darstellten.
Das Aeussere der Kirche wurden von der Renovation von 1921 kaum verändert; allerdings setzte Zollinger ein starkes Zeichen mit einer quergestellten, mit einem Pultdach bedeckten, offenen Vorhalle. Das Besondere daran war das Zusammenspiel von vier Bibelsprüchen und den floral-abstrakten Malereien von Zollinger, die in ihrer typografisch-dekorativen Ausprägung wohl einzigartig waren.
Die malerische-dekorative Ausstattung der Kirche im Sinne eines Gesamtwerkes war Zollinger sehr wichtig, und so plante er als Fassung der spitzbogigen Fenster hinter und gegenüber der Kanzel Dekorationsmalereien nach eigenen Entwürfen, entsprechend den Motiven in der kleinen Vorhalle. Für die grosse Nische gegenüber der Kanzel hatte Zollinger Altarbilder im Sinne von zwei Tryptichons von Paul Bodmer vorgesehen, die allerdings, ebenso wie die Malereien innerhalb der Kirche aus Kostengründen nicht ausgeführt wurden.
Der Umbau der Kirche von Fällanden ist noch heute ein wichtiges Zeugnis im Oeuvre Otto Zollingers.
Neben den erwähnten Wettbewerbsprojekten blieb die Renovation der Kirche Fällanden der einzige Kirchenbau Zollingers. In seinem letzten Lebensort, Adliswil, konnte er die Abdankungshalle (heute Helen Dahm-Haus, siehe Kapitel 50er-Jahre) realisieren im Jahre 1956 sowie kleine Renovationsarbeiten in der reformierten Kirche.