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Der Jungarchitekt

Schloss Hülchrath
1909

Im Jahre 1908 erwarb Leutnant Enno Rudolf von Benningsen die Burgruine vom ehemaligen Wasserschloss Hülchrath am Niederrhein bei Düsseldorf. Er liess 1910-1912 einen märchenhaften Ausbau ausführen nach den romantisierenden Plänen der jungen Schweizer Architekten Otto Zollinger und Alwin Spengler. Auch alle Dekorationselemente stammen aus ihrer Hand.

 

Die gezeichneten Darstellungen stammen von Alwin Spengler im Geiste des späten Jungendstiles.

 

Heute ist Schloss Hülchrath eine Eventlokation: www.schloss-huelchrath.de

Alwin Spengler (l) und Otto Zollinger (r).

Schloss Hülchrath, der erste gemeinsame Auftrag vom Architekturbüro Otto Zollinger (r) und Alwin Spengler (l)

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Heimatstil-Villen Zürich
1910-1920

Villa Entwurf 1915

Als Jungarchitekt im Alter von 23 bis 28 Jahre, also bis zum 1. Weltkrieg 1914, baute oder renovierte Otto Zollinger mehrere vielbeachtete und publizierte Villen in und um Zürich im damaligen Heimatstil, dem Geschmack dieser Zeit. 1909-1912 betrieb Zollinger ein gemeinsames Architekturbüro mit Alwin Sprenger, wobei sie für viele Bauten als Partner zeichneten. Die Gebäude zeigen Anklänge an historische Baustile, vor allem der Klassik. Gleichzeitig setzte sich Zollinger mit den damaligen konstruktiven Möglichkeiten und funktionalen Anforderungen auseinander. Alle Bauten waren Gesamtwerke mitsamt Innenausbau und Mobililar. Dabei müssen sehr gute Kontakte zu hochqualifizierten Handwerkern bestanden haben, wie z.B. Möbelschreiner oder Schlosser. Oft wurden auch bildende Künstler beigezogen für Wandmalereien. Die Inneneinrichtungen muss man sich sehr farbig vorstellen und da seinerzeit keine Farbfotos möglich waren, sind die Farbbeschreibungen in Artikeln zu diesen Bauten in den Fachzeitschriften sehr aufschlussreich. Die Grundrisse der Wohnhäuser bauten auf einer zentralen Halle auf, um die sich die Abfolge von Küche, Speisezimmer, Wohnzimmer gruppierte und von der sämtliche Räume sowie die Treppe zum Obergeschoss erreichbar waren.

 

In der Zeitschrift „Moderne Bauformen“, Jahrgang 1914, Heft 4 werden Arbeiten Zollingers aus den Jahren 1910 bis 1913 beschrieben:

Diese Werke werden besonders hervorgehoben, weil sie die Entwicklung des Autodidakten dartun. Zollingers jüngste Schöpfungen sind überaus frisch und anregend und zeigen besonders gut, dass der junge Künstler eigene Wege geht. Er verschmäht Stimmungsmache und Motivkrämerei. Worauf es ihm vor allem ankommt, ist gesetzmässige Ordnung. Er will seine Häuser und alles was er baut, in eine feste, harte Form bringen und rechnet dabei mit Proportionen, mit Licht und Schatten, nicht aber mit Motivchen von überall her.

Zollingers Schaffen wird durch eine zielbewusste Pflege des Individuellen charakterisiert. Sobald sich ihm ein Bauherr anvertraut, entsteht für ihn zunächst die Aufgabe, zwischen der Persönlichkeit des Bauherrn, dem neuen Hause und der umgebenden Landschaft den Einklang herzustellen. Im gesamten Haus nicht minder als in jedem einzelnen Zimmer soll sich das Individuum bemerkbar machen; in Häusern will er die Individualität seiner Bewohner gewissermassen in Architektur darstellen.

Soll diese Forderung durchgeführt werden können, ergibt sich von selbst, dass der einzelne Bauherr nicht an jedem beliebigen Orte bauen kann; es muss stets ein Kontakt zwischen ihm und der landschaftlichen Umgebung vorhanden sein. Dazu kommt, dass auch die architektonische Gestalt des Hauses, wenn sie gut geplant ist, den Charakter desjenigen verraten soll, der mit Willen darin wohnt. Nur auf diese Art wird vom Architekten Heimat geschaffen, ein für die Baukunst so überaus wichtiges Problem.

Nach solchen Grundsätzen sind die hier beschriebenen und abgebildeten Häuser gebaut: Wydler-Esslinger, Wreschner, Faller, Hohl.

 

In der Zeitschrift „Innen-Dekoration“, März1916 wird über Zollingers Architektur wie folgt geschrieben:

Eine freundliche, aufgeschlossene Note spricht aus den Häusern und Räumen des Züricher Architekten Otto Zollinger. Was er schafft, ist aus einem mild-kräftigen Klima erwachsen, vor einem phantastischen Hintergrund, der, trotz aller Heiterkeit in den Einzelformen, wieder und wieder sich abspiegelt. Darum sind diese Häuser an den Ufern des Züricher Sees, vor dem gewaltigen Panorama der Alpen, so ganz bodenständig, mögen auch noch so viel klassische Motive und Weisen anklingen. Ein leichtes Temperament, sprudelnde Erfindung und eine sichere Hand, die die Formen mit festem Zug zusammenhält, bilden für einen Architekten, wie überall, so namentlich im Lande Zollingers, glückliche Vorbedingungen zum Erfolg (Anmerkung: es war die Zeit des 1. Weltkrieges). Den kann man dem noch nicht Dreissigjährigen gerne prophezeien, zumal er so rasch als Autodidakt zu einer so ansehnlichen Reife durchgedrungen ist.

In den Häusern Zollingers haben sich Aeusseres und Inneres zu einer vollkommenen, wohllautenden Harmonie vereinigt. Der Architekt selbst schreibt, dass er hier seine künstlerischen Absichten restlos verwirklich glaubt, dass er nun das gefunden hat, was er „seinen Stil“ nennen möchte. Die Jagd auf originelle Einfälle ist überwunden, Haus und Inneres, Raum und Ausstattung haben sich zum einheitlichen Gedicht gerundet. Zollinger genügt es nicht, schlecht und rechts seine Aufgabe zu erfüllen, ein Haus hinzustellen, das den Bedürfnissen des Gebrauchs und der Repräsentation zur Not entspricht. Man sieht, ihm ist es ein tiefgreifendes Glück, bauen zu dürfen, er behandelt jede Aufgabe mit einer gewissen Weihe, wie eine Mutter die Brautausstattung ihrer Tochter, und wenn auch wenig Mittel da sind, die Besonderheit der Formulierung, Laune, Neuheit, Schönheit der Erfindung machen auch die schlichten Gegenstände wertvoll. Zollinger legt besonderen Wert darauf, auch die Persönlichkeit des Bauherrn im Charakter des Hauses zum Wiederschein kommen zu lassen. Seine Art, schwere Linien weich zu führen, problematische Zuspitzungen zu umgehen, traut-gewohnte Stimmungen in neuer Fassung darzubieten und in allem eine schöne, reibungslose Harmonie zwischen dem Haus und seinen Bewohnern, zwischen der Landschaft und dem Haus anzustreben, wird seiner Kunst noch Freunde in reicher Zahl zuführen.

Haus  Wydler-Esslinger, Kilchberg, 1912

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Das von Otto Zollinger persönlich als Hauptwerk von Villen aus dieser Zeit hervorgehoben ist

das 1912 gebaute Einfamilienhaus des Herrrn Wydler-Esslinger an der Alten Landstrasse in Kilchberg. Heute durch einen Neubau ersetzt, stand es an der höchsten Stelle der Alten Landstrasse und schaute mit seinem markanten, hohen Giebel über den ganzen Zürichsee und tief in die Alpen hinein. Der Bau ohne Land kostete 64‘730 Fr., für Umgebungsarbeiten und Gartenanlagen wurden 5‘600 Fr. aufgewendet.

Haus Wreschner 1910 und Haus Faller 1912, Zürich

Im Jahre ca. 1905 plante der Landwirt Arnold Weinmann die Ueberbauung von Land im Quartier Rigiviertel in der Stadt Zürich. Die Parzelle für das Haus Wreschner, damals Goldauerstr. 40 (heute abgebrochen) verkaufte er unbebaut und Dir. Wrescher beauftragte das Architekturbüro Zollinger und Sprenger für die Realisation.

Das Haus Faller, Goldauerstrasse 52 und das Haus Goldauerstrasse 37 liess Weinmann selber erstellen und beauftrage Zollinger und Sprenger, vermutlich weil ihm der Bau Wreschner so gut gefallen hat.

 

Das Haus von Prof. Dr. A. Wreschner wurde im Jahre 1910 erbaut. Die Baukosten des Hauses, das mit einer Zentralheizung ausgetattet war, betrugen ohne Land 49‘000 Fr., die Umgebungsarbeiten und die Anlage des Gartens kosteten weitere 3‘700 Fr.

Haus Wreschner
Haus Wreschner

Um dem Hause Wreschner die Aussicht nach Süden ins Gebirge nicht zu nehmen wurde das 1912 erstellte Haus Faller mehr an die Strasse gerückt, aber recht hoch gestellt, damit auch ihm die Aussicht gewahrt blieb. Die Baukosten betrugen ohne Land 55‘965 Fr., die Umgebungsarbeiten und die Anlage des Gartens kosteten weitere 4‘025 Fr.  Das Haus war mit einer Zentralheizung versehen, die im Winter auch warmes Wasser für das ganze Haus lieferte, während im Sommer ein Heisswasser-Rekord-Automat für warmes Wasser sorgte. Robert Faller war Direktor bei der Firma Bamberger, Lero & Co. in Frankfurt a.M. und Zürich, welche Herstellerin war dieser Heisswasserapparate und ebenso von der abgebildeten Zirkulations-Kopf- und Körperbrause. Auch die Häuser Wydler-Esslinger und Wreschner waren mit Zentralheizungen von diesem System ausgestattet. Das unter Denkmalschutz stehende Haus Faller wird von den heutigen Besitzern liebevoll gepflegt und wurde, im Bewusstsein des Erbes, in den Innenräumen geschmackvoll renoviert.

Haus Faller. Zirkulations-Kopf- und Körperbrause
Haus Faller
Haus Faller. Herbst 2024
Haus Faller
Haus Faller. Renovation 2021. Innenarchitektur: Virginia Maissen
Haus Faller
Haus Faller. Renovation 2021. Innenarchitektur: Virginia Maissen

Pfarrhaus Hohl, 1914

Als viertes Haus in dieser Serie sei das Pfarrhaus Hohl erwähnt. Es gehörte Pfarrer Kasp. H. Hohl-Asper, stand an der Zollikerstrasse 233 in Zürich und wurde leider 1975 abgebrochen. Die eindrücklichen Schwarzweissfotos zeigen aber, dass es ein Hauptwerk jener Zeit von Zollinger war.

Villen-Umbauten 1910-1920

Neben Neubauten von Häusern während dieser Zeit, wurde Otto Zollinger auch mit zahlreichen Umbauten von Villen oder Wohnungen beauftragt.

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Die Villa Schoch oder auch Villa Bel-Air genannt, an der Freiestrasse 129 in Zürich, sticht hier besonders hervor. Einerseits gestaltete er das äussere Ansehen komplett neu und schuf eine vornehme Inneneinrichtung.

Villa Schoch oder Villa Bel-Air, Zürich, 1914

Villa Schoch nach Umbau
Villa Schoch vor Umbau
Villa Schoch nach Umbau
Villa Schoch
Villa Schoch
Villa Schoch
Villa Schoch

In der Zeitschrift „Die Schweizerische Baukunst“, Ausgabe V, Jahr 1919, werden Umbauten  von Otto Zollinger wie folgt gewürdigt:

Umbauten und Ausbauten bestehender Bauwerke sind Proben für die künstlerische Kraft des schaffenden Architekten; ganz besonders dann, wenn er nicht in sich fertig ganz bestimmte Anschauungen verwicklicht, sondern wie jeder wahre Künstler in ununterbrochenem Vorwärtsstreben um den Ausdruck seiner Gedanken zu ringen hat, wie Otto Zollinger Phantasie und Formengebung, Idee und Körperlichkeit nur nach Kämpfen miteinander in Einklang zu bringen vermag. Wenn gleichwohl auch bei solch beschränkten Aufträgen Werke entstehen, die wie der Ausbau der Halle des Gutes Katzensee oder der Umbau der Villa Schoch in Zürich in Nichts die besondere Eigenart des Schöpfers vermissen lassen und sich gleichwohl den vorhandenen Bauteilen unauffällig einfügen, ist damit der sichere Beweis künstlerischer Reife erbracht, die in selbstgewollter Beschränkung ihr lebhaftes Temperament zu zügeln versteht, gerade dadurch aber ihre besondere Fähigkeiten wirksam hervorzuheben versteht. Es ist reizvoll, wie in der Halle zu Katzensee märchenhafte Romantik die schlichten, oft derben Formen durchglüht und lehrreich, wie Karyatiden, Wappen und tiefschattige Vorhallen eine strenge, alte Fassade beleben, wie die Wärme einer schweren Holztäfelung oder die Ueppigkeit eines Badezimmers den trockenen Raumgeist eines alten Hauses erfrischt. Es ist, wie wenn sich der starke Duft des Flieders mit dem von Lavendel und welken Rosen mengt.

Gut Katzensee, 1912

Der Zürcher Pferdehändler Rudolf Kieser liess 1908 eine repräsentative Jugendstilvila erstellen, die heute noch steht und 1997 vom Kanton Zürich, dem heutigen Besitzer seit 1924, restauriert wurde.

Der vormalige Besitzer Franz Josef Weck vergrösserte ab 1912 das vier Wohnhäuser, drei Scheunen und fünf Ställe umfassende Gut und beauftragte Otto Zollinger für den Ausbau der Halle von der Villa. Die Friesen der Halle wurden vom Kunstmaler Albin Schweri geschaffen.

Gut Katzensee. 1912
Gut Katzensee. 1912

Haus Zeltweg 74, Zürich, 1920

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Ab 1918 betrieb Otto Zollinger im Haus Zeltweg 74 in Zürich eine private Kunstschule und einen Verkauf von Kunsthandwerk wie Möbel, Bilder, Stoffe, Dekorationen usw. Meine Grossmutter Freda Streiff war eine Schülerin von ihm und 1919 heirateten sie. Dann konnte Freda mit Hilfe ihres Vaters Harry Streiff (mein Urgrossvater) das Haus erwerben und Grossvater baute es 1920 um, in dem er das Obergeschoss ausbaute und eine Dachterrasse erstellte. Der Aufbau und Ausstieg auf der Dachterrasse hat bereits eine Schiffsästhetik, wie er sie 9 Jahre später bei der Villa Streiff in Küsnacht (siehe Kapitel „Neues Bauen“) in Vollendung verwendete.

Das künstlerische Schaffen von Freda Zollinger-Streiff wird in einem separaten Kapitel gewürdigt.

Bis zur Uebersiedelung nach Saarbrücken hatte Otto Zollinger sein Architekturbüro in diesem Haus und bezog es dann auch wieder bei seiner Rückkehr nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 bis in die 1960er Jahre. Von hier aus war sein jeweiliger Fussmarsch über die Quaibrücke zur Baustelle vom Mövenpick Claridenhof, wo ihm dann der Begriff „Mövenpick“ einfiel beim Brotfüttern der vorbeifliegenden Möwen. Meine Mutter Elian Maurer-Zollinger erlebte hier ihre Kindheit und auch für mich selber war es als Baby mein erster Wohnort. Hier wohnte auch kurze Zeit, nach ihrer Einreise in die Schweiz 1936, die Familie Dr. Hans Kanter, Inhaber der Walsheim-Brauerei (siehe Kapitel „Neues Bauen“), für welche Otto Zollinger der Architekt war. Das Haus wurde innerhalb unserer Familie von verschiedenen Seiten vielfältig genutzt. Meine Mutter betrieb in jungen Jahren eine Modeschneiderei. Meine Gotte Trix Streiff führte eine Psychiatriepraxis. Mein Götti Ingo Zollinger (Sohn von Otto Zollinger) nutzte den Aufbau auf der Dachterrasse bis in die 1970er Jahre als Fotodunkelkammer für sein Fotogeschäft „Jumbo“ an der Hottingerstrasse. Ich selber betrieb in den 1980er Jahren eine Weinhandlung im Kellergeschoss und pflegte den kleinsten Rebberg der Stadt. Heute ist das Haus nicht mehr in Familienbesitz.

Weitere Villen-Umbauten

Diebold, Zürich. 1913
Herrmann, Zürich. 1915
Diebold, Zürich. 1913
Heim, Zürich. 1913

Bildnachweis zum Kapitel "Jungarchitekt"

Die Schwarzweissfotos stammen aus folgenden Fachzeitschriften:

"Moderne Bauformen", Heft 4, 1915

"Innendekoration", März 1916

"Die Schweizerische Baukunst", Heft 5, 1919

Farbfotos Innenrenovation Haus Faller: Furnitecture GmbH, Zürich

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