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Denkmäler

Forchdenkmal
1922

offiziell: Wehrmännerdenkmal

Adolf Muschg schrieb 1972 über die Forch in „Geschichten einer schwachen Ferne“:

Warum ersteige ich jedesmal die porösen Stufen zum „Wehrmännerdenkmal“, einer bronzenen Flammenspindel, die der Kanton seinen Kriegs-, genauer: Grippeopfern gedrechselt hat? Den gefrorenen Furz nennen sie die Anwohner und ich: die gelungenste expressionistische Monumentalplastik aller Zeiten.

Auf Initiative der Unteroffiziersgesellschaft des Kantons Zürich, schrieb der Kanton im Jahre 1919 einen Wettbewerb aus für ein Wehrmännerdenkmal auf der Forch. Da die Schweiz nicht in den 1. Weltkrieg involviert war, sollte das Denkmal den krankheits- und unfallbedingt Hingeschiedenen ein bleibendes Andenken gewähren. Beim Preisgericht waren 95 Wettbewerbsbeiträge eingegangen. Das Rennen machte Otto Zollinger mit seinem Entwurf „Das Opfer“, eine fast 18 Meter hohe Flamme aus Kupferblech auf einer rund 5 Meter hohen Stufenpyramide. Auf dem obersten Sockel, der die Flamme trägt, ist folgendes eingemeisselt:

„Dies Denkmal baute das Zürcher Volk als Sinnbild der Opfer,

die der Weltkrieg 1914-1918 zu des Vaterlandes Schutz forderte.“

Das Preisgericht äusserte sich wie folgt: „In diesem Entwurf ist die Idee des Denkmals in überzeugend schöner Weise zum Ausdruck gebracht. Die Bergkuppe wird in der Wirkung durch das Mal verstärkt und es klingt in dieser gleichsam aus. Durch den pyramidenartigen Aufbau mit der hochgehenden Flamme wurde eine charakteristische Gestaltung des Denkmals erfunden, in welcher Monumentalität, Ernst und Würde in lebendig zündender Weise verkörpert sind.“

Einweihung 1922 mit ca. 30'000 Personen
100 Jahre-Jubiläum 1922
November 1923

Bezüglich Auftragsvertrag mit Otto Zollinger und Bauvollzug schreibt Kurt Scheibler in seiner Seminararbeit „Das Wehrmännerdenkmal auf der Forch“ an der Universität Zürich 2010 (Quellennachweis):

Der Vertrag zwischen Zollinger und der Baukommission ist datiert vom 13.2.1922 und betraute den Künstler gleichzeitig auch mit der Ausführung, was keineswegs als selbstverständlich zu betrachten war. Offenbar erachtete die Baukommission Zollinger als genügend qualifiziert, das keinesfalls einfache Bauwerk zu realisieren, ungeachtet des Umstands, dass er Autodidakt war und keine akademische Bildung vorweisen konnte. Zollinger wurde verpflichtet, die Ausführungs- und Detailpläne zu erstellen und die nötigen Modelle in einem Massstab anzufertigen, nach welchem eine „erstklassige künstlerische und fachmännische Durchführung des Werkes gewährleistet werden könne“. Im weiteren wurde Zollinger beauftragt, die verbindlichen Angebote für die Ausführung der einzelnen Arbeitsgattungen bei den Firmen einzuziehen und über die Arbeitsvergebung Antrag zu stellen. Sodann hatte er die erforderliche Kontrolle der Arbeiten in den Werkstätten der Unternehmer und auf der Baustelle vorzunehmen und die Abrechnungen zu erstellen. Schliesslich hatte er dafür zu sorgen, dass das Wehrmännerdenkmal rechtzeitig im Spätsommer 1922 zur Einweihung fertig dastehe. Als Honorar wurde ein Betrag von Fr. 8‘000 vereinbart. Zollinger wurde somit in umfassender Weise mit den Aufgaben als Gesamtleiter betraut.

Zollinger kam seinen Planungs-, Bauleitungs-, Koordinations- und Ueberwachungsarbeiten augenscheinlich äusserst zügig nach. Bereits am 10. April 1922 konnte mit den Bauarbeiten begonnen werden. Anfangs September 1922 war die Baute erstellt und die Einweihungsfeier wurde auf den 24. September 1922 festgelegt.

In dieser erwähnten Seminararbeit befasst sich Kurt Scheibler in erster Linie mit den Beweggründen für die Errichtung von Wehrmännerdenkmälern nach dem Ersten Weltkrieg, deren damaligem Zweck sowie ihrer heutigen Berechtigung, speziell am Beispiel Forch, und dies teilweise auch sehr kritisch. An dieser Stelle befasse ich mich aber nur mit dem künstlerischen Werk meines Grossvaters Otto Zollinger sowie dessen eigenen Gedanken dazu. Es freut mich immer wieder, wenn ich, während meinen Biketouren, mich am grandiosen Gesamtanblick von Denkmal und Landschaft sättigen kann.

Zollinger vor dem Modell
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Aufbau mit Gerüst 1922

Bei der Einweihung am 24.9.1922 kamen rund 30‘000 Besucherinnen und Besucher. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte Zollinger das Denkmal ergänzen, was aber nicht realisiert wurde. Hingegen verfügte der Regierungsrat 1951 ein Bauverbot, in dem er den Ort unter Landschaftsschutz stellte. 1990 wurde die Flamme vollständig saniert.

 

Im Hinblick auf die 100-jährige Gedenkfeier vom 24.9.2022 schrieb Stefan Hotz (Quellennachweis) am 23.9.2022 in der NZZ:

In seinen Erläuterungen zum Denkmal hatte Zollinger klar zum Ausdruck gebracht, dass er kein Kriegerdenkmal schaffen wollte. Wehrmännerdenkmal, Soldatendenkmal, das seien nur tönende Worte: „Auf solche Weise ist das Volksempfinden nicht geformt, so ist es nicht Volksidee, sondern Parteiidee“. Es gehe um einen einzigen Ausdruck für gemeinsame Leiden und Entbehrungen der letzten Kriegsjahre.

Die Vereinnahmung seines Werkes für politische Zwecke (siehe unten) war zweifelslos nicht in Zollingers Sinn. Im Dossier der kantonalen Denkmalpflege findet sich ein Text vom 3. Januar 1923, in dem er eindringlich seine Idee verteidigte: „Wir alle, Männer, Frauen, Kinder, brachten Opfer an Leben, Gesundheit, Hab, Gut und Existenz. Alle, alle haben geopfert, die Soldaten nicht allein“.

Zollinger äussert sich hier auch zur Form des Denkmals: „Forderte der breite Bergrücken nicht geradezu heraus, ihn zum Träger des Opferaltars zu gestalten? Forderte dieser Mittelpunkt eines Riesenpanoramas nicht eine Markierung durch eine grosse Senkrechte, wie die Flamme eine ist?“

Tatsächlich ist das Werk an sich ungewöhnlich. Unter all den Kriegsdenkmälern, die nach dem Ersten Weltkrieg in Europa entstanden, gehört es zu den ganz wenigen abstrakten Darstellungen. Das Grab des unbekannten Soldaten unter dem Arc de Triomphe in Paris wurde erst 1923 mit einer Flamme versehen.

Gleichzeitig war es eine kühne Idee, die Flamme, das „nicht fassbare Element schlechthin“, plastisch zu fixieren, wie es 1997 im Bericht der kantonalen Denkmalpflege hiess. Der Volksmund habe diese Unmöglichkeit genau erfasst, indem er schon bald vulgär vom „gfrorne Furz“ gesprochen habe.

 

Das Denkmal blieb ein Anziehungspunkt für vaterländische, bürgerliche Kräfte und solche weiter rechts. Am 1. August 1973 versammelte sich James Schwarzenbachs Republikaner und die Nationale Aktion von Valentin Oehen auf der Forch. Tags zuvor war der Sockel mit Hakenkreuzen verschmiert worden. 1979, wenige Monate bevor er erstmals in den Nationalrat gewählt wurde, startete Christoph Blocher beim Denkmal seine nationale Karriere vor gut 2000 SVP-Anhängern.

 

Otto Zollinger wäre aber sicher damit einverstanden, dass sein Werk heute ohne Bezug zu „Wehrmännern“ schlicht FORCHDENKMAL heisst.

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Das Forchdenkmal ist ein beliebtes Ziel für Spaziergänger, Wanderer und Biker. Mit der Forchbahn ist es ideal erreichbar ab Zürich-Stadelhofen oder Esslingen.

Nationaldenkmal Schwyz
1909
Projekt

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Im Jahre 1908 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben für ein Nationaldenkmal in Schwyz. Es sollte bereitstehen für die 600 Jahr-Feier der Schlacht am Morgarten 1315, also am 15. November 1915.

Otto Zollinger reichte zusammen mit seinem Architektenpartner Alwin Spengler sowie dem Bildhauer Toni Schrödter das Projekt „Heiligtum“ ein.

Die hochkarätige Jury musste letztlich 105 Entwürfe begutachten. Sowohl bildhauerische als auch architektonische Vorschläge wurden eingereicht.

In der Endrunde von 5 Projekten reichte es nicht zum Sieg aber „Heiligtum“ wurde prämiert und mit 5000 Fr. honoriert.

Allmählich hatte sich aber im Publikum und in der Presse ein erheblicher Widerstand gegen die Verwirklichung entwickelt und schlussendlich kam das Projekt mit Beginn des 1. Weltkriegs 1914 jedoch zu einem jähen Ende.

In der Zeitschrift „Die Schweizerische Baukunst“, Jahrgang 1912, Heft 9, wurde das Projekt wie folgt beschrieben:

Die Architekten suchten schon in ihren Voraussetzungen zum ersten Entwurf die Denkmalsangelegenheit zu einer Lösung zu führen, die dem Leben, besondern erhebenden Momenten zu dienen hatte. Deshalb rechneten sie in ihrer vorgelegten Fassung mit nationalen Versammmlungen, gaben in der Feuerstätte, im Gerichtsstein etc. verschiedenen Anregungen für den Ritus zukünftiger vaterländischer Feste. Damit suchten Sie, in wohlerwogener Steigerung, die Absicht, den Ort als Weihestätte, als Nationalheiligtum zu gestalten. In einer geschlossenen Anlage, die der Beschauer durch einen Hohlweg betritt, sind um einen freien Platz, als Versammlungsraum der festlich Gestimmten, vier architektonisch akzentuierte Gebäude hingestellt. Auf der Terrasse über dem Eingang steht der Ehrentempel für den Kanton Schwyz, der den Bundesbrief mit anderen ähnlichen Reliquien birgt. In der Mitte der seitlichen Umfassungsmauern stehen die Ehrentempel der beiden Urkantone, Uri, Ob-  und Nidwalden, die ebenfalls wertvolle Erinnerungen aus den ältesten Tagen, Trophäen ihres Kulturkampfes einschliessen. In den Umfassungsmauern sind Reliefdarstellungen aus dem Kriegs- und Volksleben des Landes angebracht, in Nischen plastische Gestalten in ruhigen Gesten aufgestellt. Als Sujets für grössere Reliefdarstellungen wurden vorgeschlagen: „Schweizerkrieger beutebeladen heimkehrend“, „Reiter gegen Fussvolk“. Dem Eingang gegenüber erhebt sich als dominierendes Gebilde auf einem Altane (vom Erdboden aus gestützter balkonartiger Anbau) ein Schatzhaus, ein Kuppelbau in streng-moderner Formengebung, der das goldene Buch der Nation, die Gerichtsschwerter, als Wahrzeichen eigener, errungener Gerichtsbarkeit wohl verwahrt. Die fast sakral anmutende Anlage wird im Umkreis von einem Kranz von Bäumen, Blutbuchen, Linden vielleicht, abgeschlossen, die in den Jahren zu einen dichten Hain aufwachsen.Eine Strenge in den Formen der Naturanlage, die die eingebauten Werte erhöht und adelt. Die Gesamtgestaltung in klassisch schöner Geste in den Rahmen der grossen natürlichen Szene gesetzt. Darin liegt letzten Endes das Bezwingende des vorliegenden Entwurfs.Das Preisgericht bezeichnete dann auch die vorgelegte Idee als eine sehr würdige Lösung der hohen Aufgabe und anerkannte das glückliche Bestreben, das Denkmal zu einem eigentlichen Nationalheiligtum zu prägen. Sie fand in der wohlüberlegten Steigerung einen tiefen Eindruck auf den Besucher gesichert. Der Entwurf gab sich vor ihrer Prüfung als eine einheitliche Schöpfung; Architektur und Bildhauereien scheinen aus einer Hand geschaffen. Die feine proportionale Verteilung der plastischen Werke fand Anerkennung. Die Abmessungen in der Platzgestaltung einzig wurden, mit Rücksicht auf festliche Anlässe, als verhältnismässig gering getadelt, doch wurde eine Erweiterung des Projektes zugegeben, ohne eine Einbusse in der Qualität befürchten zu müssen.

Pressekommentare 1909

Ausgeschnittene Zeitungsartikel im Stadtarchiv Zürich, Zeitungen unbekannt

Das Projekt „Heiligtum“, Verfasser Architekt O. Zollinger und Bildhauer Toni Schrödter, Zürich, scheint uns das festliche Moment durch seinen klassischen Tempelstyl etwas allzu stark hervorzuheben. Durch einen mächtigen Triumphbogen treten wir auf einen grossen freien rechteckigen Plan, dessen Mitte ein länglicher Teich ausfüllt. Lange Wandelhallen und Treppenfliesse flankieren den Teich, in dessen Wasser sich ein monumentaler Bühnenaufbau spiegelt und zuoberst, wie Palas Athene, die Göttin des Krieges, Mutter Helvetia, hinter welcher ein prächtiger Stier, das Sinnbild der ungebrochenen Volkskraft, hervorschaut. Denken wir uns dem Wasser entlang in grossen Pfannen eine Reihe Dorffeuer zu nächtlicher Stunde angefacht, so haben wir einen griechischen Tempelbau mit der ganzen Stimmung antiker Opferfeste.

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Der Entwurf „Heiligtum“, den der Architekt Zollinger und der Bildhauer Schröter gemeinsam eingesandt haben, schliesst sich am engsten an historische Vorbilder an. Er ist nichts anderes als ein römisches Forum, in frühgriechische Formen übertragen. Im Rechteck ist der Platz ummauert. Die eine Schmalseite nimmt über dem Eingangstor eine „Ehrenloge“ auf, ihr gegenüber steht ein Tempel, an beiden Längsseiten wiederholen sich ähnliche Tempelbauten. Die Mitte ist von einem breiten Wasserbecken bezeichnet. Als Bauphantasie ist dieser Entwurf gewiss eine tüchtige Leistung, aber er weicht von aller historischen Ueberlieferung schweizerischer Kunst soweit ab, dass an die Ausführung gar nicht zu denken ist.

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Bei diesem Entwurf kommt man um die Frage nicht herum: Wo sind wir? Die Liebe zu der antiken Kunst bricht überall bei Zollinger durch; man sieht, mit welchem feinen Eifer er sich in diese Welt hineingedacht hat. Aber was haben die Urkantone mit den Hellenen gemeinsam? „Bei nationalen Versammlungen (die Zollinger innerhalb dieses heiligen Bezirks annimmt) nehmen die Vertreter der Urkantone ihre Ehrenplätze in den Tempeln ein.“ Ja, aber würden sich diese Männer der gebirgigen Urkantone bei diesen Karyatiden (Skulptur, die eine Frau darstellt) aus dem Lande Attika nicht recht deplaziert ausnehmen? Ich sehe die Brücke nicht, die von unserem schweizerischen Empfinden zu diesem an sich edeln, aber aus einer ganz anderen Kultursphäre bezogenen Bauwerk hinüberführen soll.

Kommentar vom Enkel

Ich gehe davon aus, dass mein Grossvater bei der Erarbeitung des Projekts noch völlig im Bann stand seiner Jahre 1908-1909 in Rom, wo er als Jungarchitekt, soeben aus der Lehre, den Bau des Palazzo Lecca-Dugacini überwachte für seinen Arbeitgeber, das Architekturbüro Chiodera und Tschudi in Zürich. Dadurch hatte er die schweizerische Tradition und Geschichte zuwenig berücksichtigt.

 

Das schlussendlich zur Ausführung bestimmte Projekt von Bildhauer Eduard Zimmermann zeigte das monumentale Denkmal vollständig mit eidgenössischen Symbolen. Ein grosser Platz, von mächtigen Bäumen eingerahmt und geschmückt mit 22 Statuen für die 22 Kantone. Im Hintergrund in majestätischer Grösse, die Kolossal-Statue der Freiheit. Dann Reliefs mit Darstellungen der Schlachten von Morgarten und Sempach. Nischen mit Büsten verdienter Männer (Frauen?). Wände mit monumentalen Malereien geschichtlicher Ereignisse. Bemalte Scheiben mit Darstellungen von alten Bündnissen und Unabhängigkeitsbriefen. Und als Beschützer des Denkmals die meiden Mythen im Hintergrund. Aber wie oben erwähnt, die Ausführung eines nationalen Denkmals kam nicht zustande.

 

Mit dem Wehrmännerdenkmal auf der Forch im Jahre 1922 hingegen konnte er die Jury überzeugen, obwohl es überhaupt kein traditioneller Stil für Wehrmännerdenkmale war, sondern ganz expressionistisch und so auch die wandelnden uns sich entwickelnden Phasen dieses Künstlers zeigt, aber auch der Gesellschaft.

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